Naturschauspiel: Wo wilde Gänse rasten

Auf der Flachwasserzone in Piplockenburg starten und landen derzeit tausende Vögel

Ohrenbetäubendes Spektakel im Biosphärenreservat: Besucher aus nah und fern kommen, um hunderte Kraniche und tausende Gänse bei der Landung auf der Flachwasserzone in Piplockenburg zu beobachten. Im Drömling finden Flugensemble zusammen, um auf ihrem Weg vom Brutquartier ins Überwinterungsgebiet Kraft zu tanken.

Anett Roisch

Piplockenburg/Mannhausen Aus allen Himmelsrichtungen kommen sie bei Einbruch der Dunkelheit angeflogen: Kraniche, Saatgänse, Blässgänse und Graugänse. Die Schwärme, die in diesen Tagen in der Flachwasserzone in Piplockenburg Rast machen, bestehen aus vielen tausend Vögeln. Das Geschnatter ist dementsprechend laut. In pfeilförmigen Flug-Formationen landen immer wieder neue Trupps. Die Flachwasserzone dient als Schlafplatz.

Nicole Eckhardt von der Naturwacht des Reservates erklärt: „Es rasten etwa 9.000 bis 10.000 Gänse dort. Sie kommen in der Abenddämmerung an die Flachwasserzone in Piplockenburg und fliegen in der Morgendämmerung zur Nahrungsaufnahme auf die Acker- und Grünlandflächen in der Umgebung.“

Oft kommen – nach den Beschreibungen der Naturwächterin – größere Vogeltrupps im Laufe des Tages zum Saufen und zur Gefiederpflege zurück an die Flachwasserzone. So gibt es den ganzen Tag über ein Starten und Landen der Gänse. Zu beobachten sei, dass der prozentuale Anteil unterschiedlicher nordischer Gänsearten (Saat-, Bläss- und Weißwangengänse) von Tag zu Tag wechselt. Das bedeute, dass die Gänsescharen täglich weiterziehen und andere nachkommen.

„Nur einzelne Exemplare von Weißwangengänse wurden bisher in den Trupps gesichtet. Alle Gänse kommen aus unterschiedlichen Regionen, die mehr oder weniger weit nord- und nordöstlich von Deutschland sind. Die Vögel starten zu unterschiedlichen Zeiten in ihren Brutgebieten, deshalb haben wir sie in unterschiedlich hoher Anzahl im Drömling“, weiß Nicole Eckhardt.

Wanderer aus Leipzig beobachten Glücksvögel

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Unsere Wanderfreunde


Viele Naturfreunde kommen in den Drömling, um Kraniche zu bestaunen. Die sogenannten Glücksvögel sind in verschiedenen Kulturen symbolträchtige Tiere. So gelten sie zum Beispiel in China als Glücksbringer und Vermittler zwischen Himmel und Erde.

Willy Ehrig ist der Präsident vom Verein Leipziger Wanderer und zählt zu „Leos Rucksacktruppe Altschönefeld“. Ehrig entdeckte vor ein paar Jahren den Drömling und möchte nun seinen Wanderfreunden diese Landschaft zeigen. „Die Leo’s wandern rund um Leipzig, in der Sächsischen Schweiz, im Erzgebirge, im Vogtland, in Thüringen, entlang der Saale, Mulde, Elbe oder im Harz“, schildert der Präsident. Mit einigen seiner Wanderfreunde überquerte der Leipziger schon einige Male die Alpen mit Höhenunterschiede von 1.600 Meter am Tag.

Und obwohl es im Drömling keine hohen Berge zu erklimmen gibt, sind die Sachsen, die mit der Deutschen Bahn bis Wegenstedt gefahren waren und auf Schusters Rappen in Richtung Biosphärenreservat wanderten, fasziniert von der einzigartigen Sumpflandschaft. Uwe Schlupp, der die Wandergruppe leitet, hält jedes Erlebnis mit seiner Kamera fest. So entdeckt der Leipziger auch die Kälbchen der Wasserbüffel und ein neugeborenes Fohlen, dem Nachwuchs der Kaltblüter von Landwirt Jürgen Germer.

Kraniche tagsüber auf den Ackerflächen der Region

„Am letzten Sonntag waren etwa 750 Kraniche an der Flachwasserzone und weitere 500 Kraniche an Wasserflächen in anderen Teilen des Drömlings“, berichtet Nicole Eckhardt. Die Kraniche würden – nach den Erfahrungen der Reservatsmitarbeiterin – erst wieder in der Abenddämmerung zurück an die Schlafplätze kommen. Die Glücksvögel könnten aber im Laufe des Tages auf den Ackerflächen und im Grünland am Rande des Drömlings beobachtet werden, wo sie in kleinen Trupps nach Nahrung suchen. In den nächsten Wochen, wenn es kälter wird, sollen es noch mehr werden.

Wanderleiter Ehrig fragt: „Haben die Rastvögel Probleme wegen dem Klimawandel? Und finden die Vögel genügend Nahrung?“ Darüber ließe sich nach den Ausführungen der Naturwächterin – sehr viel spekulieren. „Es wurden erste Untersuchungen zum Zugverhalten besonders von Langstreckenziehern durchgeführt, die zum Teil belegen, dass durch die wärmeren Temperaturen wirklich Veränderungen in den Brutgebieten entstehen, die zum Beispiel die Nahrungsverfügbarkeit für die Brutvögel und für die geschlüpften Jungvögel bewirken.“ Bei den Kranichen im Drömling sei jedoch in diesem Jahr bis jetzt alles so, wie es auch im letzten Jahr zu beobachten war.

Die milden Temperaturen um die Zeit und die wunderschön anzusehenden Sonnenaufgänge in den letzten Tagen seien ihrer Ansicht nach spektakulär. Groß ist die Freude der Naturschützerin, dass sie an der Flachwasserzone noch bis Anfang September einen Brachvogel beobachten konnte. Außerdem seien immer ein paar Kiebitze dort. Zu den unterschiedlichen Gänsearten kommen noch Höckerschwäne, Stock-, Schnatter-, Krick-, Reiher-, Löffel- und selten Tafelenten, genau wie Grau- und Silberreiher, Kormorane und mit viel Geduld ein oder zwei Eisvögel.

Es bestehe auch für die Rucksacktruppe eine gute Chance, den Seeadler zu beobachten. Als eine Art „Gesundheitspolizei“ kreist er über das Wasser. Der Adler hat es auf geschwächte und kranke Tiere abgesehen.

Die Sachsen wandern samt ihrer Rucksäcke entlang des Mittellandkanals noch bis Miesterhorst und zurück nach Piplockenburg, wo sie ganz nah der Flachwasserzone in der Pension von Daniela Germer übernachten. Ihr Vater Jürgen Germer war 2009, weil das Biosphärenreservat wegen des Naturschutzes immer feuchter wurde, auf die Idee gekommen, Wasserbüffel zu halten. Der Landwirt erinnert sich: „Erst waren es vier Büffel, jetzt sind es fast 50. Sie haben ein friedliches Wesen.“ Zaungäste sollten trotzdem sehr vorsichtig sein, denn die Büffel könnten mit ihren Hörnern zustoßen.

Ein Kommentar

  • Benutzerbild von Ehrig Ehrig sagt:

    Anett Roisch ist Fotografin und Journalist. Ich habe sie 2015 im Biosphärenreservat getroffen und in kurzer Zeit Informationen zum “Land der 1000 Gräben” .
    Sie hat meine Neugier geweckt und durch ihre Artikel in der Magdeburger Volksstimme so manche Wissenslücke über das nördliche Sachsen Anhalt geschlossen

    Willy

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